Augsburg. Samstag - 20.09.2008 - 8:15 Uhr - Die erste von insgesamt vier Sprengladungen explodiert auf dem Gelände der ehemaligen Reese-Kaserne in Augsburg. Dies war der Auftakt zur bislang größten Sprengübung des THW-Ortsverbandes Augsburg. Ermöglicht wurde diese Sprengübung durch die freundliche Genehmigung der Stadt Augsburg und der AGS GmbH (Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienbetreuung GmbH), der die Verwaltung des Geländes obliegt. Zwei 60 Meter hohe Kamine des alten Heizkraftwerkes und ein 82 Meter hoher Stahl-Funkmast standen der Umwandlung des Areals in ein Wohngebiet im Weg und konnten deshalb vom THW Ortsverband Augsburg und dessen Fachgruppe Sprengen sprengtechnisch beseitigt werden.
Insgesamt 4 Monate dauerten die Vorbereitungen für unseren Sprengberechtigten Michael Schapfl und den Ortsverband Augsburg, bis alle Berechnungen, Prüfungen und Genehmigungen im Hause waren. Dann endlich konnte mit den praktischen Arbeiten begonnen werden.
Bereits 3 Wochen vor der Übung waren THW-Einheiten aus Augsburg und Dachau damit beschäftigt, Vorbereitungen an den Objekten zu treffen. So wurden insgesamt 101 Sprenglöcher in die beiden Kamine gebohrt und zwei 41 x 82 cm große Fallschlitze in die Außenwand des rechten Kamins gebrochen. Auch am Vortag der Übung waren unsere Spezialisten aus den Bergungs- und Fachgruppen damit beschäftigt, den Stahlmast mit einer Grundfläche von 15,25 x 15,25 Metern statisch zu schwächen. Dazu mussten aus den unteren 10 Metern am Mastfuß die Diagonalstreben und Horizontalversteifungen herausgetrennt werden. Die vorderen und hinteren Mastfüße wurden etwas geschwächt und für die Sprengung präpariert. Da der Funkmast im geschwächten Zustand keinen großen Windlasten mehr standhalten konnte, wurden die Arbeiten erst um 1:00 früh fertig gestellt und die Wettervorhersagen im voraus genauestens verfolgt.
Schon um 5:00 Uhr in der Früh waren die Helfer wieder vor Ort und trafen die letzten Vorbereitungen zur Sprengung des Funkmastes. Insgesamt waren rund 80 Einsatzkräfte des THW und weitere 30 Einsatzkräfte anderer Organisationen an den Sprengungen beteiligt, die schon morgens mit einem Frühstück versorgt werden mussten.
Um die Verpflegung von Einsatzkräften auch in Großschadenslagen sicherzustellen, hält das THW eigene Verpflegungstrupps in den Fachgruppen Logistik vor. Der Verpflegungstrupp vom Ortsverband Friedberg hat diese Aufgabe übernommen und wie gewohnt ausgezeichnet und routiniert erledigt. So mussten am Tag der Sprengung neben unzähligen Litern Kaffee und Tee auch 400 Wurst- und Käsesemmel zum Frühstück, sowie 25 kg Geschnetzeltes mit 40 kg Nudeln und 18 kg Salat zum Mittagessen zubereitet werden. Diese Aufgaben konnten alle vor Ort erledigt werden, da zur Ausstattung des Verpflegungstrupps unter Anderem ein Feldkochherd und ein entsprechendes Zelt gehört.
Für jede Sprengung müssen die vom Sprengberechtigten vorher festgelegten Sicherheits-Absperrkreise durchsucht und geräumt werden. Nachdem dies durch die Helfer des OV Augsburg geschehen war, sicherten diese den Sprengort großräumig ab. Über Funk wurden die einzelnen Posten der Umfeldsicherung, die untereinander Sichtkontakt hatten, auf Sicherheit abgefragt. Erst nach deren "OK" konnte mit der Sprengung begonnen werden. Kameras von Presse und Fernsehen mussten noch positioniert werden, um die Sprengungen zu dokumentieren. Letzte Vorbereitungen an den Sprengladungen wurden getroffen und dann war es soweit. Um 8:14 Uhr kam das erste Signal, das zweite um 8:15 Uhr. Eine unheimliche Stille lag nun über dem ganzen Gelände. Mit Spannung wurde auf die bevorstehende Sprengung gewartet. Dann gab es einen gewaltigen dumpfen Knall. Aus den vorderen zwei der vier Mastfüße werden jeweils etwa 8 Meter lange Rohrstücke mit einer Schneidladung „herausgesprengt", so dass sich der Turm in die vorbestimmte Richtung neigte. Ein kurzes Knacken am Mast war noch zu hören, dann krachten etwa 80 Tonnen Stahl zu Boden. Der Mast fiel exakt in die vorgegebene Richtung. Trotz sorgfältiger Vorbereitungen und Berechnungen war Erleichterung zu spüren, dass alles genau so funktionierte.
Beim 2. Teil der Übung waren dann die beiden Kamine an der Reihe. Der erste der beiden Kamine (südlich), mit einem unteren Durchmesser von 4,50 Metern und einer unteren Wandstärke von 62 Zentimetern, war für eine Zusammenbruchsprengung vorbereitet worden. Bei dieser Sprengmethode werden vom äußeren Kaminmauerwerk ringsherum 1,5 m herausgesprengt. Der obere Teil des Kamins kracht dann auf den verbleibenden Kaminstumpf und wird durch den Aufprall so stark beschädigt, dass er in sich zusammenfällt. Soweit die Theorie. Dass sich dann trotz exakter Berechnungen, Sicherheitszulagen und technisch einwandfreier Ausführung Überraschungen auftun können, sollte sich noch zeigen.
Erschwerend kam allerdings noch hinzu, dass innerhalb des Kamins zwei gemauerte Innenkamine mit einem Durchmesser von je 80 Zentimetern verliefen. Diese machten eine Ladungsanbringung auch im Inneren des Kamins und ebenfalls eine bestimmte Zündfolge notwendig.
Um 12:30 Uhr explodierten dann 23 kg Gesteinssprengstoff am ersten Kamin. Dieser sackte blitzschnell um ca. 1,5 Meter ab. Die oberen 10 Meter des Kamins wurden durch die Druckwelle der inneren Explosion und der Wucht des Aufpralls abgesprengt und gingen als Trümmerregen zu Boden. Der Rest des Kamins blieb unbeeindruckt ca. 1,5 Meter weiter unten stehen.
Beim zweiten Kamin (nördlich) mit gleichem Durchmesser, einer unteren Außenwandstärke von 57 Zentimetern und zwei Kühlmänteln von je 10 Zentimeter sind die Sprengladungen für eine Fallrichtungssprengung vorbereitet worden. Dabei soll der Kamin in eine bestimmte Richtung und ein vorher künstlich angelegtes Fallbett aus acht aufgeschütteten Erdhügeln fallen. Auch hier ist eine umfangreichere Berechnung notwendig gewesen, da der Kamin aus drei Rauchzügen bestand, die sternförmig vom Fuß bis an die Spitze hochgemauert waren. Etwa 2 Minuten später krachte es erneut. 8,5 kg Gesteinssprengstoff reichten aus und der 2. Kamin fiel exakt in die vorgegebene Richtung auf das Fallbett.
Der erste Kamin hielt allerdings auch dieser Druckwelle stand. Er stellte in diesem instabilen Zustand eine Gefährdung dar und durfte nicht stehen bleiben. Nun spielte die Ausbildung und die Erfahrung vergleichbarer Einsätze und Übungen dieser Art eine große Rolle, die das THW in der Vergangenheit immer auszeichnete und dadurch solche besonderen Aufgabenstellungen meistern konnte. Alle Beteiligten zeigten sich äußerst gelassen und besonnen. In aller Ruhe berieten die Sprengberechtigten die Situation. Da der Kamin bereits auf der südlichen Seite größere Schäden durch die erste Explosion hatte, bot sich an, ihn in Richtung eines bereits zum Abriß vorgesehenen Gebäudes fallen zu lassen. Dies war auch zeitlich am Schnellsten zu bewältigen. Nach Rücksprache mit den Aufsichtspersonen vom Gewerbeaufsichtsamt, die alle Sprengungen wie vorgeschrieben überwachten, wurde die Sprengung freigegeben. Eine weitere Ladung Sprengstoff wurde am Kamin angebracht und ein zusätzlicher Splitterschutz am Tor sorgte für die nötige Sicherheit des Umfeldes.
Um 15:30 Uhr explodierte dann die vierte Sprengladung. Der Kamin neigte sich in die vorbestimmte Richtung und stürzte planmäßig in das Gebäude, das dabei regelrecht zweigeteilt wurde. Auch dieser Kamin war geschafft und die Sprengübung damit ein voller Erfolg.
Zum Abschluss möchte ich mich noch bei allen Mitwirkenden der Sprengübung bedanken, die uns vorbildlich und unbürokratisch unterstützten! Diese Übung zeigte auch ganz deutlich, dass das Zusammenwirken der einzelnen THW-Ortsverbände und den anderen Hilfs- und Rettungsdiensten in Augsburg hervorragend funktioniert.
Wir möchten uns auch bei den Zuschauern bedanken, die Ihr Interesse an unserer Übung und dem THW gezeigt haben und die Leistung unserer ehrenamtlichen Tätigkeit mit Ihrem Applaus belohnten. Danke!
Dieter Seebach
Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit (BÖ)
THW Ortsverband Augsburg
Augsburg, 22.09.2008
Anhang Überblick:
Beteiligte und Helfer:
- THW-Ortsverband Dachau - Unterstützung bei der Bohrung der Sprenglöcher
- THW-Ortsverband Friedberg - Verpflegung
- Sprengberechtigte aus den THW-Ortsverbänden Friedberg, Markt Schwaben, Donauwörth und Miesbach
- Freiwillige Feuerwehr Kriegshaber - Brandschutz
- Malteser Hilfsdienst - Sanitätsdienst
- Polizei (PI 6) - Straßensperrungen
- Gewerbeaufsichtsamt Augsburg - Fachaufsicht
Besucher und Gäste:
- THW Landesverband Bayern - Stv. Landesbeauftragter
- THW-Geschäftsstelle München - Geschäftsführer
- Vertreter der Stadt Augsburg und der AGS
- Vertreter der Bundeswehr
- Berufsfeuerwehr Augsburg
- Medienvertreter von rt1.tv, Augsburg TV, Augsburger-Allgemeine-Zeitung, Neue Sonntagspresse, TrendyOne und Stadtzeitung.
- Ein Video und noch mehr Bilder von der Übung gibt es auch bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung zu sehen.
- Mehr Informationen zur "Fachgruppe Sprengen" und dem Einsatz von Sprengmitteln im Katastrophenschutz finden Sie hier auf unserer Homepage.
- Einen Bericht zu einem Sprengeinsatz finden Sie hier auf unserer Homepage.
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